von Sarah Dorkenwald

Ein Staub­sauger der beson­de­ren Art war schon vor eini­gen Jah­ren wäh­rend der mcbw start up zu sehen. Er bestach nicht nur durch sei­ne eigen­stän­di­ge Ästhe­tik mit einem Gehäu­se aus Kork, son­dern auch durch sei­ne Funk­tio­na­li­tät, die vor allem dar­in bestand, die Lebens­dau­er zu ver­län­gern. Ent­wor­fen wur­de der Staub­sauger von Franz Jung­hans und Chris­tof Mühe, damals Pro­dukt­de­sign­stu­die­ren­de an der Bau­haus-Uni­ver­si­tät Wei­mar. Statt einem Kom­plett­ge­häu­se setzt sich der Staub­sauger aus ein­zel­nen Ele­men­ten zusam­men, die sich leicht aus­tau­schen bzw. repa­rie­ren las­sen. Anlei­tun­gen im Inter­net sol­len hel­fen, dies selb­stän­dig und ohne gro­ße Ser­vice­kos­ten zu tun.

Der gesam­te Lebens­zy­klus zählt

Bei einem Staub­sauger oder ande­rem han­dels­üb­li­chen Elek­tro­ge­rät ver­bin­den die meis­ten Nach­hal­tig­keit mit Ener­gie­ef­fi­zi­enz und mei­nen damit einen gerin­ge­ren Strom­ver­brauch bei der Nut­zung im Ver­gleich zu ande­ren Gerä­ten oder Vor­gän­ger­mo­del­len. Möch­te man ener­gie­ef­fi­zi­ent mit nach­hal­tig gleich­set­zen, soll­te das Pro­dukt aber wei­te­re Fak­to­ren erfül­len. Hier­zu gehö­ren unter ande­rem die Lebens­dau­er sowie der Ener­gie­ein­satz bei der Her­stel­lung. Das wie­der­um beinhal­tet wei­te­re Aspek­te, die von Anfang an bei der Pro­dukt­ent­wick­lung mit­ge­dacht wer­den soll­ten: Lässt sich das Pro­dukt repa­rie­ren? Wel­che Mate­ria­li­en wer­den ver­wen­det und sind die­se recy­celt oder recy­cle­bar? Was pas­siert nach dem Nutzungsende?

Die Mate­ria­li­tät spielt eine zen­tra­le Rol­le bei der Ener­gie­bi­lanz und beinhal­tet das Abwä­gen zwi­schen nach­wach­sen­den oder end­li­chen Roh­stof­fen. Aber auch der Trans­port ver­braucht Ener­gie, der nicht nur dazu dient Kon­sum­gü­ter von A nach B zu trans­por­tie­ren. Auch die Roh­stoff­er­zeu­gung sowie ein­zel­ne Pro­duk­ti­ons­schrit­te sind oft­mals über den gesam­ten Glo­bus ver­teilt. Ein Lap­top hat bei­spiels­wei­se zwi­schen einem Drit­tel und der Hälf­te der Ener­gie, die er in sei­nem gesam­ten mehr­jäh­ri­gen Lebens­weg, von der Her­stel­lung und Nut­zung über die Ent­sor­gung benö­tigt, bereits bei der Her­stel­lung ver­braucht. Ent­spre­chend lan­ge soll­te die Nut­zungs­dau­er die­ses Gerä­tes sein. (Quel­le: https://www.ecodesignkit.de).

Der gesam­te Pro­dukt­zy­klus muss in Betracht gezo­gen werden.

Auch bei einem Elek­tro­au­to kön­nen wir streng­ge­nom­men erst dann von ener­gie­ef­fi­zi­ent oder kli­ma­freund­lich spre­chen, wenn der gesam­te Pro­dukt­zy­klus in Betracht gezo­gen wird, also nicht nur der Strom zum Fah­ren, son­dern auch die Ener­gie für die Her­stel­lung von Strom und Auto sowie die Ent­sor­gung des Fahr­zeu­ges. Hin­zu kommt, dass auf­grund der ener­gie­auf­wen­di­gen Bat­te­rie­pro­duk­ti­on ein E‑Auto zunächst für höhe­re Emis­sio­nen im Ver­gleich zu einem Wagen mit Ver­bren­nungs­mo­tor sorgt. Die­ser benö­tigt durch­schnitt­lich fünf bis sie­ben Ton­nen an Treib­haus­ga­sen in der Her­stel­lung, wäh­rend es bei Elek­tro­au­tos zehn bis zwölf Ton­nen sind. (Quel­le: https://www.verivox.de/).

Es ist also noch ein lan­ger, aber unab­ding­ba­rer Weg bis zur kli­ma­freund­li­chen E‑Mobilität – und ein ungleich län­ge­rer bis zu deren Klimaneutralität.

Trans­for­ma­ti­on durch Design

Tech­ni­sche Inno­va­tio­nen allei­ne rei­chen nicht aus, um den Anfor­de­run­gen umwelt­freund­li­cher Alter­na­ti­ven gerecht zu wer­den. Unter­neh­men ste­hen vor der Her­aus­for­de­rung eben­so öko­no­mi­sche wie sozia­le Fra­ge­stel­lun­gen ent­lang der Wert­schöp­fungs­ket­te zu berück­sich­ti­gen und bestehen­de Sys­te­me von Grund auf zu hin­ter­fra­gen und neu zu denken.

Gera­de Metho­den, Werk­zeu­ge und Denk­mo­del­le, die aus dem Design kom­men, hel­fen die­se trans­for­ma­ti­ven Pro­zes­se mul­ti­per­spek­ti­visch und trans­dis­zi­pli­när zu beglei­ten, um zukunfts­wei­sen­de Pro­duk­ti­ons­for­men und Neu­ent­wick­lun­gen anzuregen.

Dass es nicht so ein­fach ist, bes­se­re Pro­duk­te zu ent­wer­fen, ver­an­schau­lich­te 2019 die Aus­stel­lung „Cir­co­lu­ti­on“, ent­wi­ckelt von Mas­ter­stu­die­ren­den des Indus­tri­al Designs und der Archi­tek­tur an der Tech­ni­schen Uni­ver­si­tät Mün­chen. Sie befass­ten sich mit der Fra­ge, war­um wir den Din­gen, Mate­ria­li­en und Wert­stof­fen nach wie vor so einen gerin­gen Wert bei­mes­sen, dass sie eher auf dem Müll lan­den, statt in Mate­ri­al­kreis­läu­fen wei­ter­ge­nutzt zu werden.

Wie kom­plex die Fra­ge nach dem rich­ti­gen Mate­ri­al ist, woll­ten sie anhand ein­fa­cher Gegen­über­stel­lun­gen wie z. B. eines Stoff­beu­tels und einer Papier­tü­te the­ma­ti­sie­ren. Wäh­rend die Her­stel­lung der Tüte aus Papier sich meist nach min­des­tens drei­ma­li­ger Ver­wen­dung schon gelohnt hat, muss der Stoff­beu­tel dage­gen min­des­tens 130-mal genutzt wer­den, rech­net man auch die Belas­tun­gen des Gewäs­sers oder die Ver­säue­rung des Bodens mit in die Ökobilanz.

Auch die Design­ar­beit ‚Bot­tom Ash Obser­va­to­ry‘ der hol­län­di­schen Desi­gne­rin Chris­ti­en Mein­derts­ma hält uns auf visu­ell bestechen­de und ein­drucks­vol­le Wei­se vor Augen, wie ver­schwen­de­risch wir mit unse­rer Umwelt umge­hen. Mein­derts­ma unter­such­te die Schla­cke von 100 Kilo­gramm ver­brann­ten Haus­halts­müll. Aus 25 Kilo­gramm Boden­asche, der Abfall des Abfalls, extra­hier­te die Desi­gne­rin eine Fül­le wert­vol­ler Mate­ria­li­en wie Zink, Alu­mi­ni­um und Sil­ber. Umge­setzt als enzy­klo­pä­di­sches Buch ver­an­schau­licht sie den erstaun­li­chen Reich­tum, den die­se Schla­cke offenbart.

Die Zukunft ist zirkulär

Was wäre, wenn wir einen Weg fän­den Pro­duk­te, Dienst­leis­tun­gen und Geschäfts­mo­del­le so zu gestal­ten, dass die­se sowohl uns Men­schen als auch der Umwelt und der Wirt­schaft zugu­te­kä­men? Das fragt sich das inter­na­tio­nal agie­ren­de Unter­neh­men für Design- und Inno­va­ti­ons­be­ra­tung IDEO. Es setzt dabei auf die Kreis­lauf­wirt­schaft als ein radi­ka­les Ver­spre­chen, bei dem tra­di­tio­nel­le Prin­zi­pi­en der indus­tri­el­len Pro­duk­ti­on und ihrer Weg­werf­wirt­schaft, zuguns­ten des Modells der Cir­cu­lar Eco­no­my, ersetzt werden.

Zusam­men mit der Ellen Mac­Ar­thur Foun­da­ti­on haben sie es sich zur Auf­ga­be gemacht, Unternehmer:innen wie Designer:innen mit­hil­fe des cir­cu­lar design gui­des Mög­lich­kei­ten auf­zu­zei­gen, wie sie zir­ku­lä­re Pro­zes­se, bei denen Daten, Nähr­stof­fe und Mate­ria­li­en im Fluß blei­ben, ent­wer­fen und ihr Geschäfts­mo­dell in ein öko­no­misch, sozi­al und öko­lo­gisch erfolg­rei­ches, umwan­deln kön­nen. Statt einer linea­ren Wirt­schaft bei der Mate­ria­li­en nach dem Able­ben eines Pro­duk­tes unge­nutzt blei­ben und als Müll uns Men­schen und der Umwelt gro­ße Pro­ble­me berei­ten, sol­len die­se „Take-Make-Waste“-Elemente in Kreis­läu­fe umge­stal­tet werden.

Erst wenn Abfall ver­mie­den wird und Res­sour­cen zir­ku­lie­ren, kann sich die Natur rege­ne­rie­ren, der Ver­lust der bio­lo­gi­schen Viel­falt gemil­dert wer­den und sozia­le Bedürf­nis­se in den Fokus gerückt werden.

Aber wie setzt man sol­che Pro­zes­se in den Unter­neh­men um und mobi­li­siert zum Umden­ken? Die Befä­hi­gung von Cir­cu­lar Design ist immer­hin ein essen­zi­el­ler Schritt in den Trans­for­ma­ti­ons­pro­zes­sen hin zu einer nach­hal­ti­gen Kreislaufwirtschaft.

Die BMW Group geht hier mit gutem Bei­spiel vor­an und lud die Star­de­si­gne­rin Patri­cia Urquio­la ein, Cir­cu­lar Design spie­le­risch im Kon­zern erleb­bar zu machen. Im Rah­men der neu­en Kom­mu­ni­ka­ti­ons- und Erleb­nis­platt­form „RE:BMW Cir­cu­lar Lab“ wur­den unter ihrer Lei­tung mit viel Krea­ti­vi­tät und Expe­ri­men­tier­freu­de vier span­nen­de Cha­rak­te­re, die für die­sen neu­en Ansatz ste­hen, ent­wi­ckelt, um ein tie­fe­res Bewusst­sein für nach­hal­ti­ges Han­deln und zir­ku­lä­res Den­ken zu schaffen.

Es braucht also eine ande­re Unter­neh­mens­kul­tur, die Mut hat sich für Neu­es und Unbe­kann­tes zu öffnen.

Es tut sich was, auch die Fir­ma Gmund am Tegern­see hat ein Farb­pa­pier ent­wi­ckelt, das sowohl CO2 neu­tral als auch Crad­le-to-Crad­le zer­ti­fi­ziert ist und das baye­ri­sche Unter­neh­men adi­das hat schon vor Jah­ren begon­nen, sich mit der Kreis­lauf­wirt­schaft zu befas­sen und in einer Klein­se­rie Turn­schu­he ent­wi­ckelt, die mit einem Garn aus Oze­an­plas­tik her­ge­stellt wer­den. Dabei arbei­tet der Kon­zern mit dem ame­ri­ka­ni­schen Start-up „Par­ley for the Oce­ans“ zusam­men, die sich dar­auf spe­zia­li­siert haben, Plas­tik­müll aus den Mee­ren in pro­duk­ti­ons­fä­hi­ge Mate­ria­li­en umzu­wan­deln. Auch hier ein schö­nes Bei­spiel dafür, dass sich die­se gro­ßen Auf­ga­ben und trans­for­ma­ti­ven Pro­zes­se nur kol­la­bo­ra­tiv meis­tern lassen.

Und auch die ganz gro­ßen zie­hen nach: Ikea möch­te spä­tes­tens in zehn Jah­ren alle Pro­duk­te nach Prin­zi­pi­en der Kreis­lauf­wirt­schaft ent­wer­fen und aus­schließ­lich aus recy­cel­ten oder nach­wach­sen­den Mate­ria­li­en produzieren.

Ein müh­sa­mer Weg, aber wenn wir ehr­lich zu uns sind, die­ser Weg ist kei­ne Alter­na­ti­ve zu bestehen­den Sys­te­men, son­dern er ist alter­na­tiv­los! In die­sem Sin­ne: Let’s rethink the sys­tem by design!

Portrait Sarah Dorkenwald (Foto: Anna Seibel)
Sarah Dor­ken­wald (Foto: Anna Seibel)

Die diplo­mier­te (Univ) Desi­gne­rin Sarah Dor­ken­wald prak­ti­ziert in ihrer gestal­te­ri­schen wie theo­re­ti­schen Arbeit eine kri­ti­sche Design­hal­tung. Im Aus­tausch mit ande­ren Dis­zi­pli­nen hin­ter­fragt sie gän­gi­ge Her­an­ge­hens­wei­sen und gesell­schaft­li­che Kon­ven­tio­nen und möch­te mit aktu­el­len Posi­tio­nen im Design Alter­na­ti­ven im Umgang mit Res­sour­cen, Pro­duk­ti­on und Ver­tei­lung sowie des Zusam­men­le­bens auf­zei­gen. Sie ist Pro­fes­so­rin an der Hoch­schu­le für Kom­mu­ni­ka­ti­on und Gestal­tung in Ulm. Zusam­men mit der Design­theo­re­ti­ke­rin Kari­an­ne Fogel­berg hat Sarah Dor­ken­wald das Münch­ner Stu­dio UnDe­sign­U­nit gegrün­det. Sie ver­ei­nen Kom­pe­ten­zen und Metho­den aus dem Design und der Design­theo­rie und arbei­ten an der Schnitt­stel­le zu ande­ren Dis­zi­pli­nen und Wis­sens­for­men. Sarah Dor­ken­wald schreibt regel­mä­ßig für Design­zeit­schrif­ten sowie Fachpublikationen.