15. November 2022

Trends für nach­hal­ti­ges Verpackungsdesign

Ver­pa­ckung von heu­te und morgen
von Sarah Dorkenwald

Hier ein Kaf­fee-to-go, da ein Obst­sa­lat oder ein Sand­wich für unter­wegs, Sushi oder Piz­za zum Abend­essen – Take-Away-Pro­duk­te, Deli­very-Food sowie soge­nann­tes Con­ve­ni­ence-Food, also ‚beque­mes Essen‘, häpp­chen­ge­recht zube­rei­tet und in immer klei­ne­ren Ver­pa­ckungs­grö­ßen, meist in Plas­tik ver­packt, tra­gen neben dem wach­sen­den Online­han­del maß­geb­lich zum stei­gen­den Ver­pa­ckungs­ab­fall bei.

Die Zah­len der Deut­schen Umwelt­hil­fe sind alar­mie­rend: 13 Mil­li­ar­den Ein­weg­be­cher und ‑ver­pa­ckun­gen wer­den im Jahr in Deutsch­land im To-go Bereich ver­braucht. Bricht man den jähr­li­chen Ver­brauch von ca. 5.8 Mil­li­ar­den Geträn­ke­be­cher auf einen Tag run­ter, dann sind das fast 16 Mio. Becher am Tag. Der CO2-Aus­stoß für die gesam­te Men­ge an Ein­weg-Müll umfasst 830.000 Ton­nen, dabei ent­ste­hen 190.000 Ton­nen Abfall.

Und Deutsch­land ist hier durch­aus vor­bild­lich. Ab Janu­ar 2023 kommt die Mehr­weg­pflicht, es gibt ein funk­tio­nie­ren­des Pfand­sys­tem und bis zu 69 Pro­zent des Haus­halts­mülls wer­den laut Umwelt­bun­des­amt (Stand 2020) recy­celt. Dabei steigt die Recy­cling­quo­te für Kunst­stoff­ver­pa­ckun­gen, die bis­her bei ca. 45 Pro­zent lag auf­grund des neu­en Ver­pa­ckungs­ge­set­zes, das unter ande­rem eine höhe­re Recy­cling­quo­te bei Ver­pa­ckun­gen vorschreibt.

Wel­che Ver­pa­ckungs­lö­sun­gen gibt es, die auf Ent­wick­lun­gen, wie die Nut­zung von E‑Com­mer­ce-For­ma­ten, moder­ne Lebens­sti­le aber auch die ver­mehr­te Nach­fra­ge nach nach­hal­ti­gen Ver­pa­ckungs­de­signs, über­zeu­gen­de Ant­wor­ten bieten?

Intel­li­gen­te Mehrwegsysteme

Das Münch­ner Unter­neh­men Recup mit sei­nem Mehr­weg-Pfand­sys­tem zählt hier zu den gro­ßen Inno­va­to­ren und Pio­nie­ren. Deutsch­land­weit hat es erfolg­reich ein Mehr­weg­sys­tem für Kaf­fee­be­cher und seit neu­es­tem auch für Lunch­bo­xen ein­ge­führt. Ein Recup Becher kann bis zu 1000 Ein­weg­be­cher erset­zen und eine Rebowl bis zu 500 Essens­be­häl­ter, schreibt das Start-up auf sei­ner Web­sei­te. Gera­de in den hip­pen Kaf­fee­rös­te­rei­en und sty­li­schen Stadt­ca­fés scheint der schlich­te mint­far­be­ne oder mok­ka­brau­ne Becher mitt­ler­wei­le zum fes­ten Bestand­teil des Inven­tars zu gehören.

Auch das Münch­ner Start-up hey cir­cle möch­te einen Unter­schied machen und hat für den Onlin­ever­sand apar­te Boxen und Taschen ent­wor­fen, die bis zu 50 Mal zir­ku­lie­ren kön­nen, bevor sie ersetzt wer­den. Per Paket­re­tou­re wird die Ver­pa­ckung zurück­ge­sen­det und kann neu befüllt wer­den. Die unter­schied­li­chen Behält­nis­se funk­tio­nie­ren für alle denk­ba­ren Inhal­te, las­sen sich leicht rei­ni­gen und klein zusam­men­fal­ten, bie­ten eine Bran­ding­flä­che und einen Dieb­stahl­schutz durch ein Sie­gel oder Plom­be und leis­ten so einen wesent­li­chen Bei­trag, um den Ver­pa­ckungs­müll im Online­han­del zu reduzieren.

Design als Inno­va­tor für neue Mate­ria­li­en und Verpackungskonzepte

Aus­ge­stellt wur­de die­se inno­va­ti­ve E‑Com­mer­ce-Lösung von bay­ern design auf der FACH­PACK 2021. Seit zehn Jah­ren befasst sich bay­ern design mit zukunfts­ori­en­tier­ten, krea­ti­ven und nach­hal­ti­gen Ver­pa­ckungs­de­sign­lö­sun­gen und prä­sen­tier­te bis­her sorg­fäl­tig kura­tier­te Son­der­aus­stel­lun­gen zusam­men mit der Nürn­berg­Mes­se auf der FACH­PACK, der inter­na­tio­na­len Ver­pa­ckungs­fach­mes­se für The­men rund um Ver­pa­ckun­gen, Pro­zes­se und Technik.

Bei der FACHPACK 2019 zeigte bayern design gemeinsam mit der NürnbergMesse Lösungen für umweltgerechtes Verpacken im Premiumbereich. (Foto: Anna Seibel)
Bei der FACHPACK 2019 zeigte bayern design gemeinsam mit der NürnbergMesse Lösungen für umweltgerechtes Verpacken im Premiumbereich. (Foto: Anna Seibel)
In der sogenannten PACKBOX teilen Packaging-Expert:innen wie Materialscout Efrat Friedland ihr Wissen mit den Messebesucher:innen. (Foto: bayern design / Tim Händel)
In der sogenannten PACKBOX teilen Packaging-Expert:innen wie Materialscout Efrat Friedland ihr Wissen mit den Messebesucher:innen. (Foto: bayern design / Tim Händel)

Mit einem ganz­heit­li­chen Blick wur­den aktu­el­le Ent­wick­lun­gen im Bereich Mar­ken­bil­dung, Mate­ri­al und Mehr­wert aber auch Digi­ta­li­sie­rung, smar­te Tech­no­lo­gien, Ver­ede­lun­gen, Trans­port und Logis­tik aus­ge­wählt und vor­ge­stellt. Dabei zeich­net sich ab, dass ori­gi­nel­le und auf­merk­sam­keits­star­ke Gestal­tungs­kon­zep­te sowie ein­zig­ar­ti­ge Ver­pa­ckungs­in­ter­ak­tio­nen in einem immer stär­ker visu­ell gepräg­ten Umfeld zen­tra­ler Bestand­teil für eine erfolg­rei­che Mar­ken­bil­dung sind.

Das allei­ne reicht aber nicht aus. Die Konsument:innen for­dern intel­li­gen­te Ver­pa­ckungs­lö­sun­gen, die eben­falls nach­hal­ti­ge Pro­dukt­le­bens­zy­klen, Res­sour­cen­scho­nung und Abfall­pro­duk­ti­on berück­sich­ti­gen. Zir­ku­la­re Pro­duk­ti­ons­kon­zep­te und die Erfor­schung alter­na­ti­ver Mate­ria­li­en anstel­le von Kunst­stof­fen, Kar­to­na­gen oder Alu­mi­ni­um­ver­pa­ckun­gen wer­den immer bedeut­sa­mer für die Unternehmen.

Auf der FACH­PACK 2021 und 2022 rück­te bay­ern design weg­wei­sen­de Impul­se der Mate­ri­al­for­schung sowie Imple­men­ta­ti­on und Pro­to­ty­p­ing in den Fokus, um auf die unter­schied­li­chen Ent­wick­lungs­schrit­te bis zur Markt­rei­fe nach­hal­ti­ger Ver­pa­ckun­gen auf­merk­sam zu machen und um hier wich­ti­ge Impul­se aus dem Design für die Ver­pa­ckungs­in­dus­trie zu set­zen. Das Design eröff­net hier­bei neue Mög­lich­kei­ten, die nach­hal­ti­ge Ver­pa­ckun­gen attrak­tiv machen und einen Mehr­wert für Unter­neh­mens­kul­tur und Mar­ken­bild bieten.

Zero-Was­te-Ver­pa­ckun­gen

Ein anhal­ten­der Trend sind Zero-Was­te-Ver­pa­ckun­gen aus Algen, Pilz­my­ze­li­en oder Pflan­zen­fa­sern, die sich in natür­li­che Kreis­läu­fe rück­füh­ren las­sen oder sich bei der Nut­zung ganz auf­lö­sen. Beson­de­re Auf­merk­sam­keit erhielt unter ande­rem das Ver­pa­ckungs­kon­zept ‚Meal Bag‘ der Desi­gne­rin Ame­lie Graf. Die von ihr ent­wi­ckel­te ess­ba­re Lebens­mit­tel­ver­pa­ckung für por­ti­ons­wei­se abge­pack­te Müs­lis oder Nudeln ist luft­dicht und bis zu einem gewis­sen Grad feuch­tig­keits­re­sis­tent. In hei­ßem Was­ser löst sich die Hül­le, deren Haupt­be­stand­teil Mais­stär­ke ist, auf und kann ver­schie­de­nen Mahl­zei­ten zum Bei­spiel als Soßen­bin­der zuge­führt wer­den. Als Bal­last­stoff- und Ener­gie­lie­fe­rant wird die Ver­pa­ckung Teil der Nah­rungs­ket­te anstatt läs­ti­ger Abfall. Aber auch, wenn man sie nicht als Nah­rung ver­wer­tet, ist sie kom­pos­tier­bar und ver­wit­tert inner­halb kur­zer Zeit oder kann erneu­ert und recy­celt wer­den . Ein schö­nes Bei­spiel für einen geschlos­se­nen Stoffkreislauf.

Notpla hat es mit seiner algenbasierten Alternative zu Einwegplastik für Lebensmittel- und Getränkeverpackungen zur Marktreife geschafft. (Foto: LÉROT)
Notpla hat es mit seiner algenbasierten Alternative zu Einwegplastik für Lebensmittel- und Getränkeverpackungen zur Marktreife geschafft. (Foto: LÉROT)
Basierend auf der Meeresalge hat Notpla ein ganzes System an Verpackungsmaterialien und Behältnissen entwickelt, u.a. Notpla Pipette, das ein kontrolliertes Ausgießen zum Beispiel von Einzeldosen an Speiseöl ermöglicht. (Foto: LÉROT)
Basierend auf der Meeresalge hat Notpla ein ganzes System an Verpackungsmaterialien und Behältnissen entwickelt, u.a. Notpla Pipette, das ein kontrolliertes Ausgießen zum Beispiel von Einzeldosen an Speiseöl ermöglicht. (Foto: LÉROT)

Wäh­rend Meal Bag noch ein – mit vie­len Prei­sen ver­se­he­nes – Kon­zept ist, hat es das in Lon­don ansäs­si­ge Start-up Not­pla mit sei­ner Alter­na­ti­ve zu Ein­weg­plas­tik für Lebens­mit­tel- und Geträn­ke­ver­pa­ckun­gen zur Markt­rei­fe geschafft. Basie­rend auf der Mee­res­al­ge hat Not­pla ein gan­zes Sys­tem an Ver­pa­ckungs­ma­te­ria­li­en und Behält­nis­sen entwickelt.

So gibt es zum Bei­spiel Not­pla Film, um her­kömm­li­che, aus fos­si­len Roh­stof­fen her­ge­stell­te und auf Bio­kunst­stof­fen basie­ren­de fle­xi­ble Ver­pa­ckun­gen zu erset­zen. Im Gegen­satz zu die­sen wird Not­pla Film auf natür­li­che Wei­se abge­baut, ohne Mikro­plas­tik freizusetzen.

Not­pla Ooho dage­gen ist eine Ver­pa­ckungs­lö­sung für die Flüs­sig­keits­ver­sor­gung unter­wegs, die den Bedarf an Plas­tik­be­chern und ‑fla­schen ersetzt. Die trans­pa­ren­te Folie in Beu­tel­form, die mit Flüs­sig­kei­ten gefüllt wer­den kann, ist eben­falls aus Algen erzeugt und löst sich zu 100% auf. Wer will, kann die Ver­pa­ckung gleich mit­schlu­cken. Not­pla Pipet­te ermög­licht ein kon­trol­lier­tes Aus­gie­ßen zum Bei­spiel von Ein­zel­do­sen-Spei­se­ölen und Not­pla-Pearls ist eine Ein­zel­do­sis-Kugel aus Mee­res­al­gen zum Bei­spiel für Zahnpasta.

Ähn­lich pro­gres­siv und vor allem ästhe­tisch unver­wech­sel­bar ist die Soap­bot­t­le der Ber­li­ner Desi­gne­rin Jon­na Brei­ten­hu­ber. Das form­schö­ne Behält­nis aus Sei­fe für Dusch­lo­tion und Sham­poo löst sich bei der Nut­zung ent­we­der nach und nach auf oder kann, nach­dem die Fla­sche leer ist, geras­pelt und mit Natron ver­mischt als Wasch­pul­ver wei­ter ver­wer­tet werden.

Design for the planet

Ecovative befasste sich früh mit der Erforschung von Myzelmaterialien und Biofabrikation. (Foto: Ecovative)
Ecovative befasste sich früh mit der Erforschung von Myzelmaterialien und Biofabrikation. (Foto: Ecovative)
Die Verpackung aus Pilzmycel und Hanffasern ist formbar, stabil und kann nach Gebrauch kompostiert werden. (Foto: Ecovative)
Die Verpackung aus Pilzmycel und Hanffasern ist formbar, stabil und kann nach Gebrauch kompostiert werden. (Foto: Ecovative)

Die alter­na­ti­ve Sty­ro­por­ver­pa­ckung des ame­ri­ka­ni­schen Unter­neh­mens Eco­va­ti­ve wur­de schon 2013 auf der FACH­PACK aus­ge­stellt. Seit 2007 befasst sich Eco­va­ti­ve mit Myz­li­en, dem faden­för­mi­gen Geflecht des Pil­zes, um bio­lo­gisch abbau­ba­re Ver­bund­werk­stof­fe zu ent­wi­ckeln. Ihr paten­tier­tes Mush­room® Pack­a­ging besteht aus natür­lich mit­ein­an­der ver­wo­be­nen Hanf­fa­sern und Myzel­ge­flech­ten, die die Ver­pa­ckung zum einen form­bar und zum ande­ren sta­bil macht und nach Gebrauch kom­pos­tiert wer­den kann.

Rich­tungs­wei­send ist hier die Idee in Koexis­tenz mit einem gesun­den Pla­ne­ten zu agie­ren. Der natür­li­che, unver­wüst­li­che Reich­tum an uraltem, leben­di­gem Wis­sen, was das Start-up als „The Forager’s Secret“ bezeich­net, inspi­rier­te Eco­va­ti­ve (noch bevor es zum Trend wur­de) sich mit der Erfor­schung von Myzel­ma­te­ria­li­en und Bio­fa­bri­ka­ti­on zu befas­sen. Da das Mate­ri­al ähn­li­che Eigen­schaf­ten wie Sty­ro­por auf­weist, ist es ein ernst­zu­neh­men­der Ersatz.

Eine nach­hal­ti­ge­re Ver­pa­ckungs­kul­tur ist möglich

bay­ern design zeigt seit zehn Jah­ren mit sei­nen Son­der­aus­stel­lun­gen, dass es inno­va­ti­ve und nach­hal­ti­ge Alter­na­ti­ven zu her­kömm­li­chen Ver­pa­ckun­gen gibt. Wün­schens­wert wäre, wenn die­se zukunfts­wei­sen­den Ver­pa­ckungs­in­no­va­tio­nen und Desi­gn­im­pul­se schnel­ler als bis­her in bestehen­de Sys­te­me und Pro­zes­se imple­men­tiert wer­den wür­den, um nicht nur Nischen zu bedie­nen, son­dern einen größt­mög­li­chen Impact hin zu einer nach­hal­ti­ge­ren Ver­pa­ckungs­kul­tur zu etablieren.

Zitier­emp­feh­lung: Sarah Dor­ken­wald (15.11.2022): Trends für nach­hal­ti­ges Ver­pa­ckungs­de­sign. Ver­pa­ckung von heu­te und mor­gen https://bayern-design.de/beitrag/nachhaltiges-verpackungsdesign/

Portrait Sarah Dorkenwald (Foto: Anna Seibel)
Sarah Dor­ken­wald (Foto: Anna Seibel)

Die diplo­mier­te (Univ) Desi­gne­rin Sarah Dor­ken­wald prak­ti­ziert in ihrer gestal­te­ri­schen wie theo­re­ti­schen Arbeit eine kri­ti­sche Design­hal­tung. Im Aus­tausch mit ande­ren Dis­zi­pli­nen hin­ter­fragt sie gän­gi­ge Her­an­ge­hens­wei­sen und gesell­schaft­li­che Kon­ven­tio­nen und möch­te mit aktu­el­len Posi­tio­nen im Design Alter­na­ti­ven im Umgang mit Res­sour­cen, Pro­duk­ti­on und Ver­tei­lung sowie des Zusam­men­le­bens auf­zei­gen. Sie ist Pro­fes­so­rin an der Hoch­schu­le für Kom­mu­ni­ka­ti­on und Gestal­tung in Ulm. Zusam­men mit der Design­theo­re­ti­ke­rin Kari­an­ne Fogel­berg hat Sarah Dor­ken­wald das Münch­ner Stu­dio UnDe­sign­U­nit gegrün­det. Sie ver­ei­nen Kom­pe­ten­zen und Metho­den aus dem Design und der Design­theo­rie und arbei­ten an der Schnitt­stel­le zu ande­ren Dis­zi­pli­nen und Wis­sens­for­men. Sarah Dor­ken­wald schreibt regel­mä­ßig für Design­zeit­schrif­ten sowie Fachpublikationen.