Was ist eigentlich ästhetisch?
Das war unser Event „beauty never dies“
Aristoteles, Albrecht Dürer und Umberto Eco – was uns gefällt, treibt uns seit Menschengedenken an. Diese ungebrochene Faszination für Ästhetik offenbarte bereits der Blick ins Publikum, als Christina Blumentritt vom Marketingclub Nürnberg und Nadine Vicentini von bayern design letzten Dienstag ein „volles Haus“ im Gewerbemuseum begrüßten.
Die Moderatorin und Designhistorikerin Anneli Kraft gab in ihrem Opening zu denken: Einerseits leben wir in einer überästhetisierten Welt – man denke nur an Social Media und Beauty-Filter – und andererseits haben wir Orte und Objekte geschaffen, vor denen man am liebsten seine Augen verschließen würde. Wie geht das eigentlich zusammen? Unter verschiedenen Perspektiven nahmen sich drei Speaker der Bedeutung und Wirkung von Ästhetik an.
Über Geschmack lässt sich nicht streiten – oder doch?
Michael Heinrich von der Universität Coburg eröffnete den Abend und stellte klar, dass hinter dem Begriff „Ästhetik“ viel mehr als nur visuell erfahrbare Schönheit steckt, sondern die Gesamtheit der sinnlichen Wahrnehmung. Und die Wirkungsweise dieser Sinneseindrücke ist – empirisch belegbar – abhängig von drei Faktoren: Wir empfinden Dinge als ästhetisch, wenn sie mit menschlichen Grundbedürfnissen, unserer Biologie, Verbindung stehen.
Heinrich macht den Punkt an einer arkadischen Ideallandschaft aus der Malerei deutlich. Zweitens der Biografie, unseren persönlichen Erfahrungen, Gewohnheiten und unserer sozialen Prägung. Und drittens der Kultur, wie etwa Statussymbole von Peergroups. Ergebnis? Was ästhetisch ist und was nicht, ist zugleich eine persönliche als auch eine kollektive Angelegenheit. Das heißt wiederum, über Geschmack kann man streiten, aber auch wieder nicht. Wie der Abend noch zeigen sollte, ist das Gegensätzliche ein Kernpunkt in der Diskussion um Ästhetik.
„Mit Schönheit beschäftigen wir uns durch die Hintertür“
Der in Nürnberg ansässige Designer Marius Schreyer möchte mit seiner Arbeit vor allem eines: die Menschen begeistern. Dafür hat er für sich den Ansatz eines poetischen Funktionalismus gefunden und erläutert an konkreten Beispielen aus dem Produktdesign, der Markenkommunikation und der Innenarchitektur anschaulich seinen Ansatz. Schreyer knüpft an eine Debatte an, die Gestalter und Designerinnen schon seit Zeiten des Werkbunds und des Bauhauses beschäftigt: Wie sind Funktion und Ästhetik an einem Objekt zu bewerten? Und sind Emotionen nicht auch eigentlich eine Funktion von Design?
Für Schreyer ist klar, dass Ästhetik im Kontext erlebt wird. Zum Abschluss demonstriert Schreyer sein Konzept von Ästhetik: Ein prähistorischer Faustkeil. Optimale Verbindung von Form und Funktion, 1,7 Millionen Jahre alt, auf weißen Hintergrund einer Powerpoint-Folie gesetzt. Das Publikum applaudiert.
Ästhetik braucht Kontext
Unter der Frage „Worüber sprechen wir, wenn wir über Ästhetik sprechen?“ näherte sich Jürgen Schulz von der UdK Berlin dem Thema an. Für ihn ist Ästhetik auch ein Kommunikationsvorgang, der – so macht es Schulz live auf der Bühne vor – auch viel mit Überraschung zu tun hat. So ließe sich auch die take-home message des Abends formulieren: Es ist das Zusammenspiel, dass ästhetisch macht. Und dieses lebt oft von seinen Gegensätzen: Von Licht und Schatten, von Einfachheit und Komplexität, vom Monumentalen und Vergänglichen, von Schönheit und Hässlichkeit. Eine abschließende Definition gibt es nicht, denn ästhetische Parameter müssen immer wieder aufs Neue ausgelotet werden. Sicher ist: ein ästhetischer Entwurf braucht viel Zeit und regt zur gemeinsamen Diskussion an.
Der Vortragsabend zum Titel „beauty never dies“ ist Teil der bayern design Veranstaltungsserie „perspectives by design“ und wurde in Kooperation mit dem Marketingclub Nürnberg durchgeführt.