Am Freitag, den 28. Februar, lud bayern design zu einem besonderen Event in die Kunsthalle Nürnberg ein: Gemeinsam mit der niederländischen Food-Designerin Marije Vogelzang und dem Nürnberger Sternekoch Felix Schneider vom Etz hatten wir ein einzigartiges Food-Event vorbereitet.
Worum ging es? Auf einem interaktiven Parcours forderte Marije die Besucher:innen heraus, sich intensiv mit dem Thema Zeit und den sinnlichen Wahrnehmungen auseinanderzusetzen – auditiv, visuell, haptisch und natürlich auch gustatorisch. Bei diesem Medi-Tasting (ein Zusammenspiel von „Meditation“ und „Tasting“) ging es weniger um die Gestaltung der Lebensmittel, sondern vielmehr um das Thema Zeit am Beispiel von Essen. Bei The future is a hoax wurden die Besuchenden Teil eines immersiven Erlebnisses, das neue Zugänge zu den Themen Zeit und Essen eröffnete. Marije und Felix inspirierten dazu, unsere Sinne zu schärfen, gewohnte Muster zu hinterfragen und Essen aus der Perspektive des richtigen Augenblicks zu betrachten. Dabei wurden sie auch Teil eines einzigartigen Experience Designs, das speziell für dieses Event entwickelt wurde.
Das ausgebuchte Event fand in Zusammenarbeit mit der Kunsthalle Nürnberg aus Anlass der Finissage der Ausstellung Delikatessen. Zwischen Kunst und Küche statt.
Die niederländische Food-Designerin nahm die begeisterten Teilnehmenden in Form eines Medi-Tasting auf eine Reise durch Raum, Zeit und Sinnlichkeit. Sie lud dazu ein sich auf das Hier und Jetzt einzulassen – auf Kairos, wie dieser besondere Moment in der griechischen Mythologie genannt wird. Im Gegensatz zu Kronos, der für die gleichmäßig und zugleich unerbittlich verlaufende Zeit steht, wird mit Kairos die gute Gelegenheit, also ein spezifischer Moment, verbunden. Bei Kairos handelt es davon, im richtigen Moment zu handeln. Nicht zu früh. Aber auch nicht zu spät, denn die Zukunft ist ein Schwindel.
In Fünfer-Gruppen wurden die Teilnehmenden nacheinander zu verschiedenen Stationen im Foyer der Kunsthalle geführt. Dabei hatten sie Kopfhörer auf, die sie einerseits von der Umwelt isolierten und andererseits an der Hand nahmen und durch das Medi-Tasting führten. Rückwärts und lediglich durch ein Band mit dem Vordermann oder der Vorderfrau verbunden näherten sich die einzelnen Gruppen einer ersten Station: Einem großen Tisch mit unzähligen von Marije und ihrem Team handgefertigten Porzellanschalen, in denen von oben Eiswasser tropfte. Jeder Tropfen stand für den bewusst wahrgenommen Augenblick:
„Jeder Tropfen ist ein Moment, der ins Hier und Jetzt fällt.“
Marijes Stimme forderte dazu auf, eine der Schalen auszuwählen, ihre Unvollkommenheit bewusst zu erleben und ihr einen persönlichen Namen zu geben.
Mit den Schalen in der Hand wurden die Besuchenden in die Aromabibliothek des etz geführt. Zahlreiche Gewürze, Früchte und Gemüse, im richtigen Augenblick vom etz-Team geerntet und in Gläsern konserviert, gaben Einblick in die Arbeitsweise des Teams um Sternekoch Felix Schneider – die Zeit einfache Pflanzen in etwas Reiches und Komplexes verwandeln zu lassen und so den besonderen Augenblick zu konservieren. Diese Zutaten wurden nicht übereilt verarbeitet. Sie wurden zum richtigen Zeitpunkt geerntet und konnten reifen. Felix geht fast täglich in den Wald auf die Suche nach diesen Zutaten. Wenn er im Wald unterwegs ist, ist er bei Kairos. Sie gehen Hand in Hand. Wie bei Kairos wurden die Zutaten im richtigen Augenblick „am Schopf“ gepackt.
Im Anschluss bekamen die Gäste die Möglichkeit, 16 ausgewählte Aromen zu verkosten. Vor ihnen lag eine Karte mit der Abfolge für die Verkostung. Jeder Bissen erzählte eine Geschichte über Zeit. Marijes und Felix forderten dazu auf jede Kostprobe zu fühlen, zu riechen sowie zu schmecken und dabei nicht zu urteilen. Denn es gibt kein „gut“ oder „schlecht“ und Urteilen beende die Neugier, so die Stimme im Ohr.
Abschließend wurde die Gruppe in einen Seitenraum geführt und aufgefordert ihre Schüsseln bewusst zu spülen. Im Zen-Buddhismus ist der Abwasch eine meditative Technik. Es ist die Kunst der vollständigen Aufmerksamkeit. Marije nahm die noch feuchten Schüsseln den einzelnen Gästen ab und ließ sie Stück für Stück, zum Entsetzen der Gäste, auf den Boden fallen. Denn der Augenblick ist flüchtig und nicht von Dauer. Über die Scherben der eigenen Schüssels tretend verließen die Teilnehmenden wieder den Seitenraum. Hier endete auch der Rundgang.
Im Anschluss wurden die Gäste in die Ausstellung geführt und zu einem Getränk eingeladen. Die zahlreichen Teilnehmenden nutzten die Gelegenheit, um das Erlebte Revue passieren zu lassen und begeistert mit anderen im Gespräch zu teilen. Zum Schluss stießen noch die Teams um Marije und Felix dazu und wurden mit langanhaltendem Applaus empfangen.
Was bleibt? Eine begeisternde Erfahrung zwischen Design und Kunst sowie Respekt vor dem Augenblick.
etz
etz ist ein Restaurant und eine Haltung. etz wird getragen von einer Kultur der Wertschätzung. Für die Dinge, die eigenen Wurzeln, den Augenblick. etz entdeckt die verborgenen Tiefen im Alltäglichen und verändert die Wahrnehmung. etz ist kulinarische Achtsamkeit. Jeden einzelnen Moment.
Kunsthalle Nürnberg
Delikatessen. Zwischen Kunst und Küche ist Titel einer aktuellen Sonderausstellung, die bis zum 2. März in der Kunsthalle zu sehen ist. Dabei werden Lebensmittel nicht nur zur bloßen Befriedigung eines Grundbedürfnisses verstanden, sondern eben auch als ein kulturelles Phänomen und politisches Statement.
Marije Vogelzang ist eine international renommierte Designerin und Rednerin, die sich ganz dem Thema Food Design verschrieben hat. Ihre Arbeiten wurden u.a. im Tokyo Metropolitan Art Museum und im Cooper Hewitt Smithsonian in New York ausgestellt. Sie hält regelmäßig Vorträge auf internationalen Bühnen, wo sie die Überschneidungen von Lebensmitteln, Kreativität und menschlicher Erfahrung erforscht. Marije ist außerdem Autorin, zuletzt ist “Lick It: Challenge the Way We Experience Food” erscheinen. Derzeit ist sie Projektprofessorin an der Kunsthochschule Kassel.
Felix Schneider ist ein vielfach ausgezeichneter Koch und Inhaber des Nürnberger Restaurant Etz, das seit März 2022 zwei Michelin Sterne führt. Zuvor war er Küchenchef im Restaurant Sosein in Heroldsberg, das ebenfalls mit Sternen dekoriert wurde. 2020 wurde er vom Gourmetmagazin „Der Feinschmecker“ als Koch des Jahres ausgezeichnet. Schneider setzt auf regionale und saisonale Zutaten, die er oft selbst anbaut, denn Wertschätzung gegenüber der Region, ihren Menschen und ihren Produkten stehen bei ihm Mittelpunkt.