Jahrestagung der Gesellschaft für Designgeschichte
Konferenz
Vom Brettspiel über Puppenhäuser oder Systemspielzeug bis hin zu den Konsolenspielen der 1990er Jahre: Die Jahrestagung der Gesellschaft für Designgeschichte (GfDG) ist Spielen und Spielzeugen aus dem 20. Jahrhundert gewidmet.
Die Tagung „Design für Spiel, Spaß, Spannung – Gestaltung von Artefakten zum spielerischen Handeln“ findet am 01./02.07.2022 im „Haus der Wirtschaft“ der IHK in Nürnberg statt. Gastgeber*innen sind die Industrie- und Handelskammer Nürnberg für Mittelfranken sowie bayern design, das Kompetenzzentrum für Gestaltung des Freistaates Bayern.
Der historische Kaufmannszug an der Fassade der IHK mit dem Sinnspruch „Nürnberger Tand geht durch alle Land“ verweist auf die lange Tradition als Spielemetropole, die noch heute lebendig ist. In der Region sind namhafte Spielehersteller beheimatet, die Stadt ist berühmt für die größte Spielwarenmesse der Welt. Nürnberg ist aber auch mit seinen Designsammlungen im Germanischen Nationalmuseum und Neuen Museum, der Fakultät Design an der Technischen Hochschule Nürnberg sowie dem Sitz von bayern design ein wichtiges Zentrum für Design. Nicht zuletzt verfügen das Deutsche Spielearchiv und das Spielzeugmuseum über für die historische Designforschung äußerst relevante Objektsammlungen.
Spielen gehört zur Natur des Menschen
Der Mensch als Homo ludens ist dabei keineswegs eine Erscheinung der Neuzeit. Geprägt wird der Begriff zwar erst 1938 von Johan Huizinga. Der niederländische Kulturhistoriker beschreibt das Spiel aber als Grundelement menschlicher Kultur, als eine Handlungsform, durch die sich kulturelle Systeme seit jeher entwickeln und festigen. Das Spielen gehört zur Natur des Menschen, ist eine Konstante in der Menschheitsgeschichte. Doch wie wir spielen und womit, zeigt viel von unserer jeweiligen Kultur und den temporär vorherrschenden Ideen.
Mit Beginn des industriellen Zeitalters erfahren die Entwicklungen auf dem Gebiet des Spielens signifikante Veränderungen und stetige Erweiterungen – kurz: ein neues Emergenzniveau. Die Arbeitsteilung, neue Materialien, großserielle Fertigungsmethoden, moderne Distributionswege und die Nutzung elektrischer Antriebe schaffen bisher ungeahnte Möglichkeiten. Sie gehen weit über eine neuartige Ausgestaltung bekannter Spielzusammenhänge hinaus. Die Erfindungen von Ingenieur*innen ziehen in Form von Modelleisenbahnen, technischen Baukästen oder optischen Unterhaltungsapparaten in die Spielzimmer ein. Neue Werkstoffe der chemischen Industrie, zum Beispiel das in den 1950er Jahren erstmals verwendete ABS (Acrylnitril-Butadien-Styrol-Copolymere), bilden die Grundlage für massenhaft produzierte Spielzeuge von Weltmarken wie Lego oder Playmobil.
Erweitertes Spielerleben am Computer
Die Computertechnologie verschafft dem Feld des Spielens schließlich bis dahin kaum vorstellbare Erweiterungen – auch im Bereich des Spielerlebens. So erzeugen sowohl die Simulation von Mitspielenden als auch die Berechnung fiktiver Umgebungen mit eigenen physikalischen Gesetzmäßigkeiten neuartige Wahrnehmungserfahrungen und führen zu einem zuvor nicht da gewesenen Grad an Immersion. Das Feld der digitalen Spiele zeigt seit „Tennis for Two“ von William Higginbotham aus dem Jahr 1958 und Stephen Russels „Spacewar!“ von 1961 ein beachtliches Innovationsstreben, verbunden mit großem Marktpotenzial.
Der Unüberschaubarkeit des Gesamtangebots versuchen Strukturierungsvorschläge etwas entgegenzusetzen. Der französische Soziologe Roger Caillois stellt 1967 eine Kategorisierung mit den Grundtypen Wettkampf (agon), Chance/Zufall (alea), Verkleidung (mimikry) und physische Rauscherfahrung (ilnix) vor. Sie dienen als Folie, um zentrale Ausprägungen des Spielgeschehens bewusst zu machen. Die genannten Typen rangieren jeweils zwischen den Polen der Freude (paida) und der Geschicklichkeit beziehungsweise dem Überwinden von Hindernissen (ludus).
Spiele bisher wenig beachtet in Designgeschichte
Design – verstanden als Konzeption, Form- und Farbgebung, Materialauswahl sowie Bild- und Bewegungsgestaltung – stellt bei der Entwicklung von Spielen und Spielzeugen einen bedeutenden Faktor dar. Man denke etwa an das sogenannte Bauhaus-Schach, die Entwürfe von Renate Müller für den Volkseigenen Betrieb Therapeutisches Spielzeug in Sonneberg, den Sperrholz-Elefanten von Charles und Ray Eames, Nintendos Super Mario oder Barbie. Vor diesem Hintergrund überrascht es, dass sich die Designgeschichte bislang nur punktuell mit dem Spiel, seinen Kontexten und Gegenständen auseinandersetzt. Denn mit Design sind auf dem Spielemarkt vielfach wegweisende Neuerungen gelungen: in der Konzeption, der Reflexion gesellschaftlicher und technischer Zusammenhänge, der Anpassung an unterschiedliche kognitive und körperliche Fähigkeiten, der formalen Beschaffenheit, bezüglich der entworfenen Narrative und des Einsatzes von Technik.
Call for Papers bis Ende März
Für ihre Jahrestagung ruft die GfDG bis Ende März zur Einsendung von Tagungsbeiträgen auf, die der Gestaltung von Spielen, Spielformen und Spielzeugen der Industriekultur gewidmet sind. Ein besonderer Fokus soll zusätzlich auf digitalen Spielen bis ins Jahr 2000 liegen. Abstracts mit bis zu 3.500 Zeichen, eine Kurzbiografie von maximal 800 Zeichen und Kontaktdaten bis zum 30. März 2022 an cfp [at]gfdg.org.