17. Oktober 2024

Das waren die Social Design Days 2024

Recap

Social Design hat vie­le Gesichter

Bunt, span­nend, voll­ge­packt – das war die zwei­te Aus­ga­be unse­rer Social Design Days Nürn­berg. In Work­shops, einem Jam und Talks haben wir uns vom 7. bis 9. Okto­ber mit Social Design in all sei­nen Facet­ten aus­ein­an­der­ge­setzt. Im Mit­tel­punkt stand dabei unser Jah­res­mot­to „bet­ter tog­e­ther“ und die Fra­ge danach wie wir mit Social Design den gesell­schaft­li­chen Zusam­men­halt stär­ken kön­nen. Social Design haben wir dabei als einen span­nen­den Ansatz erlebt, die eige­ne Bubble zu ver­las­sen und ein­ge­ros­te­te Rou­ti­nen auf­zu­bre­chen, um so eine lebens­wer­te Welt von mor­gen zu gestalten.

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Sym­po­si­um: Kann Social Design zu mehr Selbst­wirk­sam­keit beitragen?

Herz­stück der Social Design Days war unser Sym­po­si­um im Neu­en Muse­um Nürn­berg: Zwei Panels, ein Dut­zend Speaker:innen, zahl­rei­che Per­spek­ti­ven – aus der Sozio­lo­gie, aus der Grün­dungs­be­ra­tung, aus der Wirt­schaft und natür­lich aus der Archi­tek­tur und dem Design. So unter­schied­lich wie die Her­an­ge­hens­wei­sen doch sein mögen, so ein­deu­tig war der Befund des Tages: Gemein­schaf­ten funk­tio­nie­ren gera­de dann gut, wenn allen die Mög­lich­keit gege­ben ist, die eige­ne Selbst­wirk­sam­keit zu spü­ren. Was das heißt? Aus der Psy­cho­lo­gie weiß man, dass Men­schen gro­ße Befrie­di­gung dar­aus zie­hen, wenn sich ihr Han­deln unmit­tel­bar auf die Gegen­wart aus­wirkt; z.B. dann, wenn man etwas mit den eige­nen Hän­den schafft und damit sei­ne Kom­pe­ten­zen bestä­tigt sieht.

„Demo­kra­tie stär­ken, heißt Demo­kra­tie zu prak­ti­zie­ren“ – Jörg Sommer

Die Kom­bi­na­ti­on aus Moti­va­ti­on, Resi­li­enz und posi­ti­ver Ein­stel­lung macht Selbst­wirk­sam­keit zu einem ent­schei­den­den Fak­tor für den per­sön­li­chen Erfolg und trägt damit zur Stär­kung einer Gemein­schaft bei. Bezo­gen auf unse­re Demo­kra­tie heißt das, so sieht es der Sozio­lo­ge Jörg Som­mer, dass in der Erfah­rung von Selbst­wirk­sam­keit Chan­cen lie­gen, unse­re demo­kra­ti­schen Sys­te­me zu stär­ken. Je stär­ker die posi­ti­ve Erfah­rung, des­to bes­ser das Ver­hält­nis zu demo­kra­ti­schen Pro­zes­sen und die Bereit­schaft zum kon­struk­ti­ven Dis­kurs. Erleich­tert z.b. Social Design die Teil­ha­be an der Demo­kra­tie, stärkt man sie dadurch auch. Som­mer ver­gleicht das mit dem Sport, denn erst regel­mä­ßi­ges Trai­ning, macht fit für Wett­kampf. „Wenn vie­le Men­schen die Chan­ce haben die Demo­kra­tie zu trai­nie­ren“, so Som­mer, wird sie stark. Und Trai­nings­mög­lich­kei­ten gibt es über­all – in der Fami­lie, der Schu­le, in Behör­den und in der Wirtschaft.

Social Design in der Praxis

Die bes­se­re Gestal­tung von Pro­zes­sen ist bei­spiels­wei­se auch ein Anlie­gen von Addis Mulu­ge­ta, der den Wel­co­me Desk der IHK Nürn­berg betreut. Er berich­te­te von den büro­kra­ti­schen Hür­den, die sei­ne Klient:innen – Fach­kräf­te aus dem Aus­land – bei ihrem Start in Deutsch­land zu bezwin­gen hät­ten. Die Ver­fah­ren sind kom­plex und nicht sel­ten geben Fach­kräf­te dann auf, wenn sie von dem Pro­ce­de­re frus­triert sind. Was kann man also machen, um ihnen den Start zu erleich­tern? Ein­fa­che­re Pro­zes­se, neue Ange­bo­te zur Inte­gra­ti­on – etwa durch Sprach­kur­se – und vor allem eines: Beschleunigung.

Der Begriff der Selbst­wirk­sam­keit taucht auch bei Sabi­ne Lewan­dow­ski auf: Sie ist Grün­de­rin und hat mit ihrer Fami­lie in Fran­ken das Natur­kos­me­tik-Label „Mari&Anne“ auf­ge­baut. Im Mit­tel­punkt des Unter­neh­mens steht ihre älte­re Schwes­ter Mari­na: Sie hilft mit beim Ver­pa­cken, gestal­tet Kar­ten und wirbt auf Social Media für ihre Pro­duk­te. Mari­na ist mit Down­syn­drom auf die Welt gekom­men und hat durch die Mit­ar­beit im Unter­neh­men ganz neue Mög­lich­kei­ten sich wei­ter­zu­ent­wi­ckeln, zu ler­nen und eben auch die Wirk­sam­keit des eig­nen Tuns zu erfahren.

Übri­gens: Wer der­ar­ti­ge Erfah­run­gen selbst sam­melt, ist eher dazu bereit auch ande­ren sol­che Mög­lich­kei­ten zur Ver­wirk­li­chung ein­zu­ge­ste­hen. Das berich­tet zum Bei­spiel Simo­na Ley­zero­vich, die in Nürn­berg das Café Blei­weiß betreibt, einem sozia­len Treff­punkt für das gan­ze Quar­tier. Simo­na ist Desi­gne­rin, hat Spaß an der visu­el­len Gestal­tung ihres Betriebs. Hier­für bin­det sie zum Bei­spiel auch die Arbei­ten von den Bewohner:innen eines Senio­ren­heims ein, die die künst­le­ri­schen Ange­bo­te des Hau­ses wahr­neh­men. Im All­tags­ge­schäft kann sie sich ganz auf ihr Team ver­las­sen, denn sie über­lässt wei­te Hand­lungs­spie­ler­äu­me, was die Moti­va­ti­on erhöht. Iden­ti­fi­ka­ti­on mit der Gemein­schaft fängt im Klei­nen an.

„Demo­kra­tie und Gemein­schaft sind nie fer­tig“ – Armin Nassehi

Armin Nas­sehi, renom­mier­ter Sozio­lo­ge und Pro­fes­sor an der Lud­wig-Maxi­mi­li­ans-Uni­ver­si­tät Mün­chen sieht im Social Design eine Chan­ce, die Rou­ti­nen von sozia­len Gemein­schaf­ten auf­zu­bre­chen, um Ver­än­de­run­gen zu ermög­li­chen. Ein­ge­fah­re­ne Rou­ti­nen sind bequem, ste­hen aber auch dem eige­nen Vor­an­kom­men im Weg. Nas­sehi erläu­tert das Dilem­ma am Bei­spiel der Mobi­li­tät: Man weiß, dass z. B. das inner­deut­sche Flü­ge öko­lo­gisch frag­wür­dig sind, legt sei­ne Ter­mi­ne aber dann so, dass es ohne die­ses Ver­kehrs­mit­tel nicht geht. Damit steht die Rou­ti­ne dem bes­se­ren Wis­sen im Weg. Doch wie gelingt der Aus­bruch aus dem Ver­hal­tens­mus­ter? Die Situa­ti­on ist auch auf die Gemein­schaft zu über­tra­gen: Gesell­schaft­li­che Ver­än­de­run­gen funk­tio­nie­ren nicht von jetzt auf gleich, son­dern sind Ergeb­nis behut­sa­mer Anpas­sun­gen bestehen­der Rou­ti­nen. Trans­for­ma­ti­on soll­te nicht dis­rup­tiv, son­dern, evo­lu­tio­när gesche­hen. Sprich: Inno­va­ti­ves Design muss evo­lu­tio­nä­re Ele­men­te anstre­ben, aber es muss eben ins Gewohn­te pas­sen. Damit heißt Social Design für Nas­sehi, gesell­schaft­li­che Struk­tu­ren als Pro­zes­se zu ver­ste­hen, an denen man stän­dig gestal­ten kann, ohne jedoch die­se stö­ren oder gänz­lich zu stop­pen. Hält man sich an die­se Prä­mis­sen, ist Schei­tern aus­ge­schlos­sen, denn jedes Han­deln geht mit einem Lern­ef­fekt ein­her und erin­nert uns dar­an, dass Demo­kra­tie und Gemein­schaft nie fer­tig sind.

„Man kann Pla­ka­te desi­gnen. Aber kei­ne Demo­kra­ten. Und doch kann Design ganz ent­schei­dend dazu bei­tra­gen, unse­re Demo­kra­tie zu stär­ken. Denn Social Design, gedacht als Bei­trag zum „bet­ter tog­e­ther“ ist vor allem eines: Das Design demo­kra­ti­scher Pro­zes­se“ – Jörg Sommer

Design Jam

Ein Design Jam funk­tio­niert wie eine Musik­ses­si­on: Jede:r bringt sich mit seinen:ihren Fähig­kei­ten ein, am Ende kommt eine Melo­die her­aus. War­um also die­ses Kon­zept nicht ein­mal auf sozia­le Her­aus­for­de­run­gen anwen­den? Im Som­mer haben wir per Aus­schrei­ben rele­van­te Fra­ge­stel­lun­gen gesucht, die es sich zum Ziel mach­ten, unser sozia­les Mit­ein­an­der zu ver­bes­sern. Unter zahl­rei­chen Ein­sen­dun­gen hat­ten wir uns ent­schie­den für zwei span­nen­de Themen:

  • Andrea Carl von der Pari­tä­ti­schen Bayern/Bezirksverband Mit­tel­fran­ken stell­te die Fra­ge, wie wir die Innen­stadt bes­ser als Begeg­nungs­raum nut­zen und Anläs­se und Räu­me schaf­fen kön­nen, die Men­schen aus unter­schied­li­chen Bubbles in den Aus­tausch bringen.
  • Lukas Heckl, Stu­dent an der OTH Regens­burg, frag­te, wie es gelin­gen kann, dass Rad­fah­rer und Auto­fah­rer fried­lich in den Aus­tausch mit­ein­an­der kom­men können.

Gefragt, getan: In inter­dis­zi­pli­nä­ren Grup­pen – jede:r konn­te mit­ma­chen – haben wir uns die­sen Auf­ga­ben ange­nom­men. Bedürf­nis­ana­ly­se, qua­li­ta­ti­ve Inter­views, kon­zen­trier­te Atmo­sphä­re – am Ende des Jams konn­ten unse­re Teams ganz kon­kre­te Ant­wor­ten anbie­ten. So könn­te etwa ein „Bedürf­nis­mo­bi­li­ar“ für die Innen­stadt, Men­schen in ihren all­täg­li­chen Bedürf­nis­sen anspre­chen und Platz zum Lesen, zum Aus­tausch oder ein­fach zum Erho­len anbie­ten. Auch die War­te­zeit am Bahn­steig könn­te genutzt wer­den, in dem die gro­ßen Info­screens zur sozia­len Inter­ak­ti­on per App ver­wen­det wer­den. Über einen QR-Code könn­te man die Screens fort­an dazu nut­zen, sich gegen­sei­tig mit sei­ner Lebens­er­fah­rung wei­ter­zu­hel­fen. Bemer­kens­wert ist auch der Vor­schlag mit dem die Situa­ti­on im Stra­ßen­ver­kehr ver­bes­sert wer­den soll: Der „Mobi­li­täts­schein“ setzt auf einen Per­spek­tiv­wech­sel, um Ver­ständ­nis für ein­an­der zu ent­wi­ckeln. Statt dem klas­si­schen Füh­rer­schein für ein Kraft­fahr­zeug, könn­te die­ser neue Schein dazu bei­tra­gen, sich auch mit den Bedürf­nis­sen von ande­ren Ver­kehrs­teil­neh­men­den wie etwa Rad­fah­ren­de oder Per­so­nal von öffent­li­chen Ver­kehrs­mit­teln aus­ein­an­der­zu­set­zen. Alle­samt Ideen mit Poten­zi­al, um das Zusam­men­le­ben noch stär­ker zu machen.

Unse­re Koope­ra­ti­on mit dem Design­ver­ein und der TH Nürnberg

Design­ver­ein

Im grö­ße­ren Rah­men des städ­ti­schen Pro­jekts Zukunfts­mu­sik berich­te­te Felix Egle, bei strö­men­den Regen unter dem Dach des leer­ste­hen­den Kauf­hofs in der Nürn­ber­ger Innen­stadt, in sei­nem Vor­trag aus sei­ner Tätig­keit im Social Design. So gestal­te­te er mit dem Kiosk of Soli­da­ri­ty Work­shops, bei denen Bewohner:innen von Geflüch­te­ten­un­ter­künf­ten ihre Anfor­de­run­gen und Wün­sche an ein adäqua­tes Lebens­um­feld sicht­bar mach­ten. Anschlie­ßend bau­ten sie Stadt­mö­bel, um bestehen­de Räu­me umzu­nut­zen. Felix erzähl­te in der Fra­ge­run­de auch offen, wie man För­der­gel­der akqui­riert und unter­schied­li­che Stakeholder:innen an einen Tisch holt. Die Ver­an­stal­tung wur­de in Koope­ra­ti­on mit dem Design­ver­ein und der Fakul­tät Design der TH Nürn­berg durchgeführt.

Die Social Design Days 2024 hat­ten vie­le Gesich­ter. Wir sagen danke!

Wir dan­ken all den­je­ni­gen, die mit zu den Social Design Days bei­getra­gen haben: Moritz Ahlert, Ame­lie Bau­mer, Doro­thee Brom­mer, Felix Egle, Nico­las Eich­holz, Lena End­res, San­dra Engel­hardt, Simo­ne Engel­hardt, Delia Evers, Lars Harm­sen, Cor­ne­lia von Har­den­berg, Mar­kus Lan­ge, Sabi­ne Lewan­dow­ski, Simo­na Ley­zero­vich, Wolf Maser, Addis Mulu­ge­ta, Armin Nas­sehi, Jean­nie Schnei­der, Ramo­na Spren­ger, Jörg Som­mer und den Teilnehmer:innen des Social Design Jams, die aktiv mit­ge­stal­tet haben.

Wir dan­ken unse­ren Part­nern und För­de­rern: Der IHK Nürn­berg für Mit­tel­fran­ken, der Wirt­schafts­för­de­rung der Stadt Nürn­berg, dem Neu­en Muse­um Nürn­berg, dem Design­ver­ein, Urban LAB und unse­rem Medi­en­part­ner dem Stadt­ma­ga­zin CURT.

Die Social Design Days 2024 wur­den von bay­ern design orga­ni­siert: Chris­ti­an Fay­ek, Sebas­ti­an Schnell­bögl und Vere­na Wes­ter­na­cher haben die Ver­an­stal­tung mög­lich gemacht.

Das Gra­phic Recor­ding der Ver­an­stal­tung stammt von Marie Gutmann.