Co-Creation als kollaborativer Gestaltungsprozess
von Sarah Dorkenwald
Co-Creation – ein kollaborativer Gestaltungsprozess für zukunftsstarke Lösungen
Co-Creation ist ein kollaborativer Prozess, bei dem Akteur:innen mit unterschiedlichen Perspektiven und Wissen gemeinsam innovative Lösungen für konkrete Probleme und Herausforderungen entwickeln. Design spielt dabei eine zentrale Rolle. Es dient als Werkzeug Ideen zu konkretisieren und erfahrbar zu machen und fördert mit seinen Methoden und Herangehensweisen kreatives Denken. Das unmittelbare Ausprobieren und die wiederholten Verbesserungsschleifen lassen Ideen zu starken Lösungen heranreifen. Wo lassen sich Co-Creation Prozesse gut einsetzen und was braucht es, damit sie funktionieren?
Co-Creation als Innovationsprozess in Unternehmen
Co-Creation wird im Unternehmenskontext angewandt, wenn es darum geht innovative und nutzerzentrierte Produkte und Dienstleistungen auf den Markt zu bringen. Marktforschungsansätze greifen oft zu kurz, um Nutzerverhalten und Bedürfnisse besser zu verstehen. Um ein umfassendes Verständnis zu erlangen, braucht es das Wissen aus verschiedenen Perspektiven entlang der Wertschöpfungskette. Es macht also Sinn, schon frühzeitig, neben den Entwicklern auch Händler, Zulieferer, Vertriebler, Hersteller und vor allem zukünftige Nutzer:innen in den Produktentwicklungsprozess einzubinden.
Wie aber erarbeitet man Innovationen gemeinsam, strukturiert und zielführend? Hier setzt Co-Creation an. Der gemanagte und fokussierte Prozess fördert unter Anwendung von Methoden z. B. aus dem Design-Thinking den Wissensaustausch und ein gemeinsames Verständnis zwischen Mitarbeitenden des Unternehmens und externen Teilnehmenden. Das kreative Nutzen und Zusammenführen unterschiedlichen Wissens bringt neue Ansätze und Ideen hervor, die durch ein einfaches und schnelles Prototyping immer wieder konkretisiert und geprüft werden, bis sie zu ganzheitlichen und belastbaren Konzepten heranreifen. Produkte und Dienstleistungen können somit besser auf die Bedürfnisse der Verbraucher:innen abgestimmt werden, was letztlich zu höherer Kundenzufriedenheit und Markterfolg führt. Ein Beispiel ist T‑Systems, die Co-Creation Prozesse mit ihren Kunden durchlaufen, um mit vereinten Skills komplexe Aufgaben wie z. B. die Umstellung von einer linearen zu einer zirkulären Wertschöpfung anzugehen und eine nachhaltige Zukunft zu gestalten.
Co-Creation in transdisziplinären Projekten
Interessant wird es, wenn die Anwendung von Co-Creation erweitert wird, zum Beispiel in Forschungskontexten, die auch außerwissenschaftliche Akteur:innen einbeziehen. In der Forschungspraxis zeichnet sich ein Paradigmenwechsel von der interdisziplinären zur sogenannten transdisziplinären Forschung ab. Das bedeutet, dass Forschungsthemen und ‑fragen, nicht nur anhand der Zusammenarbeit verschiedener akademischer Disziplinen untersucht werden, sondern Vertreter:innen aus weiteren Bereichen wie der Wirtschaft, Politik und Gesellschaft mit ihrem Wissen in den Forschungsprozess eingebunden werden. Unter Einbindung von Expert:innen aus unterschiedlichen, vor allem auch zivilgesellschaftlichen Bereichen (z. B. gemeinnützige Vereine und NGO’s), kann besser auf die Bedürfnisse und den Gemeinnutzen der Gesellschaft eingegangen werden. Ziel ist es, gemeinsam relevante Lösungen für komplexe globale Herausforderungen zu entwickeln und gesellschaftlich transformative Prozesse in Gang zu setzen.
Wie kann solch ein Co-Creation Prozess gelingen?
Echte Co-Creation ist herausfordernd. Jeder Prozess muss individuell aufgesetzt und gemanagt werden. Es muss geklärt werden, an welcher Stelle des Prozesses mit welchen Betroffenengruppen in welcher Form und mit welchen Methoden gearbeitet wird, um Antworten zu konkreten Fragestellungen zu erlangen. Prinzipien des Dialogs auf Augenhöhe und Perspektivwechsels sind Grundvorrausetzungen, damit Co-Creation gelingen kann und die Beteiligten sich neugierig, kreativ und verantwortungsvoll einbringen können. Die Erfahrung der Selbstwirkung ist ein wichtiges Fundament, um neu initiierte Möglichkeiten und Alternativen weiterzuführen und zu verstetigen. Sie sind aber auch wertvoll für uns als Gesellschaft, da sie Demokratieverständnis, Toleranz und ein wertschätzendes Miteinander fördern.
„Design spielt eine zentrale Rolle in der Co-Creation, da es als Brücke zwischen verschiedenen Akteur:innen fungiert, den kreativen Prozess strukturiert und die Vorstellungskraft beflügelt.“
Die Rolle des Designs im Co-Creation
Design spielt eine zentrale Rolle in der Co-Creation, da es als Brücke zwischen verschiedenen Akteur:innen fungiert, den kreativen Prozess strukturiert und die Vorstellungskraft beflügelt. Die gestaltenden Disziplinen mit ihren Methoden, Herangehensweisen sowie den Möglichkeiten der Visualisierung nehmen eine Schlüsselrolle ein. Sie helfen Ideen und Konzepte schneller konkret und somit greifbar zu machen, was den Austausch und das Verständnis zwischen den Beteiligten erleichtert. Als sensible und neutrale Vermittler:innen zwischen den unterschiedlichen Interessengruppen, können Gestalter:innen unterstützend mitwirken, um zu Konsens und Entscheidungen zu gelangen.
Oftmals werden hierfür sogenannte Reallabore gegründet, um ein schnelles Konkretisieren und Ausprobieren von Ideen zu ermöglichen. Im geschützten Raum kann getestet werden, was oftmals schon allein aufgrund von Bürokratie und Auflagen zu scheitern droht. Insgesamt trägt das Design entscheidend dazu bei, den Co-Creation Prozess effektiv und inspirierend zu gestalten, indem es die Zusammenarbeit fördert und Ergebnisse, funktional wie auch ästhetisch optimiert.
Co-Creation – ein Beispiel in München Neuperlach
Ein gelungenes Beispiel für gelebte Co-Creation ist das von der Europäischen Union geförderte Projekt ‚Creating NEBourhoods Together‘ in München Neuperlach. Unter der Leitung der Stadt München und unter Mitwirkung von Organisationen, Stadtreferaten, Hochschulen, Gründungszentren, Unternehmen, Kreativen und vor allem Initiativen und vor allem Vertreter:innen von Vereinen aus Neuperlach wurden in zwei Jahren konkrete Orte und Angebote geschaffen mit dem Ziel Neuperlach zu einem nachhaltigeren und sozialeren Stadtteil zu transformieren. Von der Stadt München koordinierte Kreativschaffende haben dabei die Ideen und Vorhaben der einzelnen co-kreativen Projektgruppen mit ihren Mitteln und Möglichkeiten unterstützt.
Das Ergebnis dieser zwei Jahre ist beachtlich: Kinder und Jugendliche haben im Garten ihres Jugendtreffs Nistplätze und Verstecke für wild lebende Tiere gebaut, um ihren Stadtteil biodiverser zu gestalten. Bürger:innen gründeten eine Genossenschaft, um gemeinsam Strom zu produzieren: nachhaltig, gerecht und lokal. Eine gebaute Freiluftküche zum kostenlosen Ausleihen lädt zum gemeinsamen Kochen im öffentlichen Raum ein. CHILLspORT, ein Projekt mit Schüler:innen, ist eine gemeinsam entworfene Objektlandschaft auf dem Schulhof, die zum Chillen und Trainieren einlädt und somit alternative Nutzungsformen für Schulhöfe anbietet. Eine große selbst zusammengezimmerte Schattenbank mit Solarzellen bietet Bürger:innen Schutz vor der Sonne, ist Begegnungsort und Ladestation in einem.


Diese und weitere Angebote sind unter Mitwirkung vieler Akteur:innen vor Ort entstanden und haben Beachtliches bewirkt: Orte, die Lebensqualität erzeugen, auf die man stolz ist und die man bewahren möchte und vor allem erlebbare Meilensteine für eine kollektive, nachhaltige und soziale Stadtteilgestaltung – ohne Co-Creation hätte all das nicht entstehen können!
