10. Februar 2025

Co-Crea­ti­on als kol­la­bo­ra­ti­ver Gestaltungsprozess

von Sarah Dorkenwald

Co-Crea­ti­on – ein kol­la­bo­ra­ti­ver Gestal­tungs­pro­zess für zukunfts­star­ke Lösungen

Co-Crea­ti­on ist ein kol­la­bo­ra­ti­ver Pro­zess, bei dem Akteur:innen mit unter­schied­li­chen Per­spek­ti­ven und Wis­sen gemein­sam inno­va­ti­ve Lösun­gen für kon­kre­te Pro­ble­me und Her­aus­for­de­run­gen ent­wi­ckeln. Design spielt dabei eine zen­tra­le Rol­le. Es dient als Werk­zeug Ideen zu kon­kre­ti­sie­ren und erfahr­bar zu machen und för­dert mit sei­nen Metho­den und Her­an­ge­hens­wei­sen krea­ti­ves Den­ken. Das unmit­tel­ba­re Aus­pro­bie­ren und die wie­der­hol­ten Ver­bes­se­rungs­schlei­fen las­sen Ideen zu star­ken Lösun­gen her­an­rei­fen. Wo las­sen sich Co-Crea­ti­on Pro­zes­se gut ein­set­zen und was braucht es, damit sie funktionieren?

Co-Crea­ti­on als Inno­va­ti­ons­pro­zess in Unternehmen 

Co-Crea­ti­on wird im Unter­neh­mens­kon­text ange­wandt, wenn es dar­um geht inno­va­ti­ve und nut­zer­zen­trier­te Pro­duk­te und Dienst­leis­tun­gen auf den Markt zu brin­gen. Markt­for­schungs­an­sät­ze grei­fen oft zu kurz, um Nut­zer­ver­hal­ten und Bedürf­nis­se bes­ser zu ver­ste­hen. Um ein umfas­sen­des Ver­ständ­nis zu erlan­gen, braucht es das Wis­sen aus ver­schie­de­nen Per­spek­ti­ven ent­lang der Wert­schöp­fungs­ket­te. Es macht also Sinn, schon früh­zei­tig, neben den Ent­wick­lern auch Händ­ler, Zulie­fe­rer, Ver­trieb­ler, Her­stel­ler und vor allem zukünf­ti­ge Nutzer:innen in den Pro­dukt­ent­wick­lungs­pro­zess einzubinden.

Wie aber erar­bei­tet man Inno­va­tio­nen gemein­sam, struk­tu­riert und ziel­füh­rend? Hier setzt Co-Crea­ti­on an. Der gema­nag­te und fokus­sier­te Pro­zess för­dert unter Anwen­dung von Metho­den z. B. aus dem Design-Thin­king den Wis­sens­aus­tausch und ein gemein­sa­mes Ver­ständ­nis zwi­schen Mit­ar­bei­ten­den des Unter­neh­mens und exter­nen Teil­neh­men­den. Das krea­ti­ve Nut­zen und Zusam­men­füh­ren unter­schied­li­chen Wis­sens bringt neue Ansät­ze und Ideen her­vor, die durch ein ein­fa­ches und schnel­les Pro­to­ty­p­ing immer wie­der kon­kre­ti­siert und geprüft wer­den, bis sie zu ganz­heit­li­chen und belast­ba­ren Kon­zep­ten her­an­rei­fen. Pro­duk­te und Dienst­leis­tun­gen kön­nen somit bes­ser auf die Bedürf­nis­se der Verbraucher:innen abge­stimmt wer­den, was letzt­lich zu höhe­rer Kun­den­zu­frie­den­heit und Markt­er­folg führt. Ein Bei­spiel ist T‑Systems, die Co-Crea­ti­on Pro­zes­se mit ihren Kun­den durch­lau­fen, um mit ver­ein­ten Skills kom­ple­xe Auf­ga­ben wie z. B. die Umstel­lung von einer linea­ren zu einer zir­ku­lä­ren Wert­schöp­fung anzu­ge­hen und eine nach­hal­ti­ge Zukunft zu gestalten.

Co-Crea­ti­on in trans­dis­zi­pli­nä­ren Projekten 

Inter­es­sant wird es, wenn die Anwen­dung von Co-Crea­ti­on erwei­tert wird, zum Bei­spiel in For­schungs­kon­tex­ten, die auch außer­wis­sen­schaft­li­che Akteur:innen ein­be­zie­hen. In der For­schungs­pra­xis zeich­net sich ein Para­dig­men­wech­sel von der inter­dis­zi­pli­nä­ren zur soge­nann­ten trans­dis­zi­pli­nä­ren For­schung ab. Das bedeu­tet, dass For­schungs­the­men und ‑fra­gen, nicht nur anhand der Zusam­men­ar­beit ver­schie­de­ner aka­de­mi­scher Dis­zi­pli­nen unter­sucht wer­den, son­dern Vertreter:innen aus wei­te­ren Berei­chen wie der Wirt­schaft, Poli­tik und Gesell­schaft mit ihrem Wis­sen in den For­schungs­pro­zess ein­ge­bun­den wer­den. Unter Ein­bin­dung von Expert:innen aus unter­schied­li­chen, vor allem auch zivil­ge­sell­schaft­li­chen Berei­chen (z. B. gemein­nüt­zi­ge Ver­ei­ne und NGO’s), kann bes­ser auf die Bedürf­nis­se und den Gemein­nut­zen der Gesell­schaft ein­ge­gan­gen wer­den. Ziel ist es, gemein­sam rele­van­te Lösun­gen für kom­ple­xe glo­ba­le Her­aus­for­de­run­gen zu ent­wi­ckeln und gesell­schaft­lich trans­for­ma­ti­ve Pro­zes­se in Gang zu setzen.

Wie kann solch ein Co-Crea­ti­on Pro­zess gelingen?

Ech­te Co-Crea­ti­on ist her­aus­for­dernd. Jeder Pro­zess muss indi­vi­du­ell auf­ge­setzt und gema­nagt wer­den. Es muss geklärt wer­den, an wel­cher Stel­le des Pro­zes­ses mit wel­chen Betrof­fe­nen­grup­pen in wel­cher Form und mit wel­chen Metho­den gear­bei­tet wird, um Ant­wor­ten zu kon­kre­ten Fra­ge­stel­lun­gen zu erlan­gen. Prin­zi­pi­en des Dia­logs auf Augen­hö­he und Per­spek­tiv­wech­sels sind Grund­vor­rau­set­zun­gen, damit Co-Crea­ti­on gelin­gen kann und die Betei­lig­ten sich neu­gie­rig, krea­tiv und ver­ant­wor­tungs­voll ein­brin­gen kön­nen. Die Erfah­rung der Selbst­wir­kung ist ein wich­ti­ges Fun­da­ment, um neu initi­ier­te Mög­lich­kei­ten und Alter­na­ti­ven wei­ter­zu­füh­ren und zu ver­ste­ti­gen. Sie sind aber auch wert­voll für uns als Gesell­schaft, da sie Demo­kra­tie­ver­ständ­nis, Tole­ranz und ein wert­schät­zen­des Mit­ein­an­der fördern.

„Design spielt eine zen­tra­le Rol­le in der Co-Crea­ti­on, da es als Brü­cke zwi­schen ver­schie­de­nen Akteur:innen fun­giert, den krea­ti­ven Pro­zess struk­tu­riert und die Vor­stel­lungs­kraft beflügelt.“

Die Rol­le des Designs im Co-Creation

Design spielt eine zen­tra­le Rol­le in der Co-Crea­ti­on, da es als Brü­cke zwi­schen ver­schie­de­nen Akteur:innen fun­giert, den krea­ti­ven Pro­zess struk­tu­riert und die Vor­stel­lungs­kraft beflü­gelt. Die gestal­ten­den Dis­zi­pli­nen mit ihren Metho­den, Her­an­ge­hens­wei­sen sowie den Mög­lich­kei­ten der Visua­li­sie­rung neh­men eine Schlüs­sel­rol­le ein. Sie hel­fen Ideen und Kon­zep­te schnel­ler kon­kret und somit greif­bar zu machen, was den Aus­tausch und das Ver­ständ­nis zwi­schen den Betei­lig­ten erleich­tert. Als sen­si­ble und neu­tra­le Vermittler:innen zwi­schen den unter­schied­li­chen Inter­es­sen­grup­pen, kön­nen Gestalter:innen unter­stüt­zend mit­wir­ken, um zu Kon­sens und Ent­schei­dun­gen zu gelangen.

Oft­mals wer­den hier­für soge­nann­te Real­la­bo­re gegrün­det, um ein schnel­les Kon­kre­ti­sie­ren und Aus­pro­bie­ren von Ideen zu ermög­li­chen. Im geschütz­ten Raum kann getes­tet wer­den, was oft­mals schon allein auf­grund von Büro­kra­tie und Auf­la­gen zu schei­tern droht. Ins­ge­samt trägt das Design ent­schei­dend dazu bei, den Co-Crea­ti­on Pro­zess effek­tiv und inspi­rie­rend zu gestal­ten, indem es die Zusam­men­ar­beit för­dert und Ergeb­nis­se, funk­tio­nal wie auch ästhe­tisch optimiert.

Co-Crea­ti­on – ein Bei­spiel in Mün­chen Neuperlach

Ein gelun­ge­nes Bei­spiel für geleb­te Co-Crea­ti­on ist das von der Euro­päi­schen Uni­on geför­der­te Pro­jekt ‚Crea­ting NEBour­hoods Tog­e­ther‘ in Mün­chen Neu­per­lach. Unter der Lei­tung der Stadt Mün­chen und unter Mit­wir­kung von Orga­ni­sa­tio­nen, Stadt­re­fe­ra­ten, Hoch­schu­len, Grün­dungs­zen­tren, Unter­neh­men, Krea­ti­ven und vor allem Initia­ti­ven und vor allem Vertreter:innen von Ver­ei­nen aus Neu­per­lach wur­den in zwei Jah­ren kon­kre­te Orte und Ange­bo­te geschaf­fen mit dem Ziel Neu­per­lach zu einem nach­hal­ti­ge­ren und sozia­le­ren Stadt­teil zu trans­for­mie­ren. Von der Stadt Mün­chen koor­di­nier­te Krea­tiv­schaf­fen­de haben dabei die Ideen und Vor­ha­ben der ein­zel­nen co-krea­ti­ven Pro­jekt­grup­pen mit ihren Mit­teln und Mög­lich­kei­ten unterstützt.

Das Ergeb­nis die­ser zwei Jah­re ist beacht­lich: Kin­der und Jugend­li­che haben im Gar­ten ihres Jugend­treffs Nist­plät­ze und Ver­ste­cke für wild leben­de Tie­re gebaut, um ihren Stadt­teil bio­di­ver­ser zu gestal­ten. Bürger:innen grün­de­ten eine Genos­sen­schaft, um gemein­sam Strom zu pro­du­zie­ren: nach­hal­tig, gerecht und lokal. Eine gebau­te Frei­luft­kü­che zum kos­ten­lo­sen Aus­lei­hen lädt zum gemein­sa­men Kochen im öffent­li­chen Raum ein. CHILL­spORT, ein Pro­jekt mit Schüler:innen, ist eine gemein­sam ent­wor­fe­ne Objekt­land­schaft auf dem Schul­hof, die zum Chil­len und Trai­nie­ren ein­lädt und somit alter­na­ti­ve Nut­zungs­for­men für Schul­hö­fe anbie­tet. Eine gro­ße selbst zusam­men­ge­zim­mer­te Schat­ten­bank mit Solar­zel­len bie­tet Bürger:innen Schutz vor der Son­ne, ist Begeg­nungs­ort und Lade­sta­ti­on in einem.

Blick in den Pausenhof einer Schule mit einer Gruppe von Schülerinnen und Schülern.
Vom Schulhof zum CHILLspORT: An der Mittelschule am Gerhart-Hauptmann-Ring wurde gezeigt, was durch Co-Creation alles möglich ist. Foto: Gabriella Guzman
Vom Schulhof zum CHILLspORT: An der Mittelschule am Gerhart-Hauptmann-Ring wurde gezeigt, was durch Co-Creation alles möglich ist. Foto: Gabriella Guzman
Blick in den Pausenhof einer Schule mit einer Gruppe von Schülerinnen und Schülern.
Positive Erfahrung von Selbstwirksamkeit durch die Möglichkeit zur aktiven Teilhabe an der Gestaltung unseres öffentlichen Raums. Foto: Florian Mayr
Positive Erfahrung von Selbstwirksamkeit durch die Möglichkeit zur aktiven Teilhabe an der Gestaltung unseres öffentlichen Raums. Foto: Florian Mayr

Die­se und wei­te­re Ange­bo­te sind unter Mit­wir­kung vie­ler Akteur:innen vor Ort ent­stan­den und haben Beacht­li­ches bewirkt: Orte, die Lebens­qua­li­tät erzeu­gen, auf die man stolz ist und die man bewah­ren möch­te und vor allem erleb­ba­re Mei­len­stei­ne für eine kol­lek­ti­ve, nach­hal­ti­ge und sozia­le Stadt­teil­ge­stal­tung – ohne Co-Crea­ti­on hät­te all das nicht ent­ste­hen können!

Zitier­emp­feh­lung: Sarah Dor­ken­wald (10.02.2025): https://bayern-design.de/beitrag/co-creation-als-kollaborativer-gestaltungsprozess/
Portrait von Sarah Dorkenwald vor neutralem Hintergrund
Prof. Sarah Dor­ken­wald (Foto: Anna Seibel)
Die diplo­mier­te (Univ.) Desi­gne­rin Sarah Dor­ken­wald prak­ti­ziert in ihrer gestal­te­ri­schen wie theo­re­ti­schen Arbeit eine kri­ti­sche Design­hal­tung. Im Aus­tausch mit ande­ren Dis­zi­pli­nen hin­ter­fragt sie gän­gi­ge Her­an­ge­hens­wei­sen und gesell­schaft­li­che Kon­ven­tio­nen und möch­te mit aktu­el­len Posi­tio­nen im Design Alter­na­ti­ven im Umgang mit Res­sour­cen, Pro­duk­ti­on und Ver­tei­lung sowie des Zusam­men­le­bens auf­zei­gen. Sie ist Pro­fes­so­rin an der Hoch­schu­le für Kom­mu­ni­ka­ti­on und Gestal­tung in Ulm. Zusam­men mit der Design­theo­re­ti­ke­rin Kari­an­ne Fogel­berg hat Sarah Dor­ken­wald das Münch­ner Stu­dio UnDe­sign­U­nit gegrün­det. Sie ver­ei­nen Kom­pe­ten­zen und Metho­den aus dem Design und der Design­theo­rie und arbei­ten an der Schnitt­stel­le zu ande­ren Dis­zi­pli­nen und Wis­sens­for­men. Sarah Dor­ken­wald schreibt regel­mä­ßig für Design­zeit­schrif­ten sowie Fachpublikationen.